Tango macht uns nicht nur glücklich, sondern auch schlau
Dass das Tanzen Freude macht, ist für uns Tangueras und Tangueros nichts neues. Wir wissen, dass ein Leben ohne Tanz für uns schwer in Frage kommt.
Friedrich Nitzsche sagte: „Ein Tag ohne Tanz ist ein verlorener Tag“ oder
„Ich würde nur an einen Gott glauben, der tanzen kann„
Der Tanz im allgemeinen hat viele Einflüsse auf unser Wohlbefinden. Das schreibt die Neurobiologin Lucy Vincent in ihrem Buch „Tanzen macht uns nicht nur glücklich, sondern auch schlau“.
Sie ist Neurobiologin, geboren in Wales und lebt seit vielen Jahren in Frankreich. Sie schrieb mehrere international erfolgreiche Bücher zu Aspekten der Neurobiologie im sozialen Miteinander.
Ihren Studien zufolge zeigt Vincent, dass Tanzen Hirnsubstanz aufbaut, unser Gedächtnis trainiert und Endorphine und Oxytocin freisetzt, was zu einer außergewöhnlichen euphorisierenden und antidepressiven Wirkung führt.
Ja, also, Tanzen macht uns glücklicher, jetzt haben wir es amtlich.
Aber Tanz ist nicht gleich Tanz. Warum ist der Tango Argentino gerade etwas besonders?
Dieser Frage ging die kolumbianische Psychologin (und Tangotänzerin) Cynthia Quiroga Murcia an der Goethe-Universität in Frankfurt in ihrer Promotionsarbeit nach und fand, dass gerade der Tango Argentino “die Hormone tanzen lässt“.
Gefühle lassen sich objektiv nur dann beweisen, wenn man ihren biochemischen Ursprung messen kann. Cynthia begab sich dazu in ein ziemlich junges, aber immer wichtigeres Fachgebiet der Psychologie, der Psychoendokrinologie – das heißt: der Messung von Gefühlen anhand der Hormone, die sie steuern.
Sie stellte fest, dass das Tangotanzen Cortisol vermindert und Testosteron vermehrt, also: Stress wird abgebaut und Lebensfreude erhöht. Aber es gab auch Überraschungen, zum Beispiel beim Testosteron.
„Und das war sehr interessant: Wir haben erwartet, dass diese Veränderungen eigentlich bei Männern stärker würden, aber bei Frauen war es genauso. Also die Veränderung, nicht die Konzentration natürlich, aber die Veränderung war genauso bei Männern und Frauen gleich.“
Es ist auch nicht egal, mit wem man tanzt. Die Ergebnisse unterscheiden sich deutlich. Aber wenn die Bedingungen stimmen, dann, sagt die Kolumbianerin, die natürlich auch selbst eine begeisterte Tänzerin ist, ja dann …
„Man hat den ganzen Tag gearbeitet und dann in der Nacht, huh, Tanzen – ist kalt, ja, man braucht viel Kraft, um sich aufzuraffen, aber dann ist man dort und das ist, wow, das ist unglaublich. Sehr, sehr schön.“
„Durch die Umarmung im Tango und die Konzentration auf den Augenblick, entsteht eine ganz besondere Energie“, stellt Maria fest, eine Tangotänzerin aus Portugal in diesem Video von der DAK (ja! Von der Krankenkasse DAK!), in dem es ausdrucklich zum Tango Tanzen animiert wird.
Ihr Partner, der Argentinier Alejandro Sanguinetti, sagt: „Drei Umarmungen am Tag braucht der Mensch, um sich glücklich zu fühlen. Im Tango haben wir diese Umarmungen die ganze Zeit“ Ist das nicht gerade luxuriös?
Hier kannst du darüber weiterlesen:
Tango lässt Hormone tanzen, Deutschlandfunk
Tanzen macht uns nicht nur glücklich, sondern auch schlau, Lucy Vincent
Bailar nos hace ingobernables: de los esclavos a la cultura ‘rave’, El País (Spanisch)
Warum wir uns nach Umarmungen sehnen
Nach einer getanzten Tanda erinnern wir uns nur selten an die Schritte, die wir getanzt haben, aber wir erinnern uns immer ziemlich genau daran, wie sich ein bestimmter Tänzer in der Umarmung angefühlt hat.
Deshalb suchen wir oft diesen Tänzer immer wieder. Das gilt sowohl für Männer als auch Frauen, obwohl es typischer für Frauen ist, der Umarmung Vorrang einzuräumen gegenüber technischen Fähigkeiten.
Was ist eine Umarmung?
Sie ist weder eine Position noch eine Form, sie ist ein Raum. Ein Raum, in dem wir uns miteinander verbinden, um den Tanz zu erschaffen, ein Raum intensiver und sehr privater Kommunikation.
In diesem Raum können wir eine vollkommene Verschmelzung mit dem anderen finden, manchmal aber auch eine tiefe Einsamkeit.
Es gibt keine „richtige“ Umarmung, dennoch gibt es Umarmungen, die optimal zu einem bestimmten Stil passen, eine bestimmte Dynamik, ein bestimmter Körper, eine bestimmte visuelle Ästhetik, Einstellungen und Temperamente.
Trotz dieser Vielfalt kann man drei wichtige Faktoren unterscheiden, die zusammen, unabhängig vom Stil, eine gute Umarmung ausmachen.
Der erste Faktor ist, ob die Umarmung angenehm ist. Eine angenehme Umarmung bedeutet, dass sie die eigene Anatomie respektiert, und es möglich macht, eine aktive und trotzdem natürliche Haltung ohne Verspannung und unnötige Anstrengung beizubehalten.
Der zweite Faktor ist „Effizienz“. Eine „effiziente“ Umarmung dient ihrem Hautzweck: Impulse zu übermitteln und zu empfangen. Was genau Effizienz ist, hängt davon ab, wie man tanzen möchte, vom Stil, Wortschatz und der Intensität der Dynamik, die man erschaffen möchte.
Der dritte Faktor ist der menschliche Faktor, er macht jede Umarmung einzigartig. Du kannst einen anderen Tänzer in allem imitieren, aber in einer Umarmung wirst du dich immer als du selbst fühlen. Deine Umarmung wird durch deine einzigartige Persönlichkeit beeinflusst, deine Erfahrungen und deinem Verhältnis zu dir selbst und der Welt um dich herum.
Der Text stammt von Veronica Toumanova, die Übersetzung von Jochen Lüders. Hier kannst den kompletten Text lesen.
Die Illustrationen sind Kreationen der Künstlerin Evelyn Schmitt.
„Tango Argentino ist … getanzte Leidenschaft, ein nonverbaler Dialog, Hingabe und noch vieles mehr. Was diesem außergewöhnlichen Tanz einen ganz besonderen Zauber verleiht ist die innige Umarmung. Diese magische Verbindung ausdrucksstark darzustellen, war für mich das Ziel bei der Erschaffung der Zeichnungen in diesem Kalender.“
Evelyn Schmidt
Den Tangokalender und weitere Werke von Evelyn kannst du hier bestellen.
Warum Liebe und Tango nicht immer gut zusammenpassen
Viele Leute glauben, dass Tango eine Liebesbeziehung richtig schwierig macht. Ich höre oft: „Im Tango ist man ständig romantischen Versuchungen ausgesetzt. Es ist sehr schwierig, auf diese Art eine stabile Paarbeziehung aufzubauen.“ Sind Liebesbeziehungen wirklich anders im Tango? Und welche Rolle spielt Tango eigentlich bei all dem?
Wenn zwei Menschen als Paar zum Tango kommen, bringen sie ihre ganze spezifische Paardynamik mit. Während sie zusammen Tango lernen, zeigt sich diese Dynamik. Dadurch, dass sie etwas Neues zusammen lernen, wird ihre Verbindung getestet, denn sie lernen ja nicht nur zusammen, sondern in völliger Abhängigkeit von einander. Wie gut sie einander zuhören, wie unsicher sie sind, wie sehr sie dem anderen gefallen wollen oder ihn kritisieren, wieviel Verantwortung sie für ihre eigenen Gefühle übernehmen: All das hat Einfluss darauf, wie sie zusammen Tango lernen. Der Lernprozess bestimmt nicht die Paardynamik, vielmehr bestimmt die Paardynamik den Lernprozess. Kurz gesagt, kann ein Paar es sich sehr leicht oder auch sehr schwer machen.
Frauen sind zu Beginn oft glücklicher, während die Männer kämpfen; dann kommt ein Punkt, an dem die Männer anfangen den Tango und die große Auswahl an Partnerinnen zu genießen, während die Frauen ihre ersten Probleme haben: Ihnen fehlt die Technik und sie werden nicht aufgefordert. Manchmal kommt ein Partner schneller voran oder ist ein talentierterer Tanzer und damit kommt der andere Partner nur schwer zurecht. Es entstehen Unsicherheiten, Eifersucht kommt hinzu.
Lese hier den kompletten Beitrag.